Noch immer arm, aber nicht mehr sexy!

 

Hintergrund für diese Untersuchung ist die Studie ArtCityLab – Neue Räume für die Kunst, die 2012-14 in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und dem Berufsverband Bildender Künstler Berlin (bbk Berlin) entstand. Gegenstand der Untersuchung war grundlegende Veränderung des räumlichen Angebotes für künstlerische Produktion. Nach dem Fall der Berliner Mauer gab sich noch vielfältige Möglichkeiten, sich leer stehende Räume bedarfsgerecht anzueignen. Spätestens seit der Finanzkrise wurden die Angebote derartiger Räumen und Flächen immer geringer. Mieten steigen ins Unbezahlbare, bezahlbarer Wohnraum und Ateliers sind Mangelware. Dieser Prozess führt zu Gentrifizierung und sozialen Segregation einer ganzen Stadt.

 

Aus heutiger Perspektive kann Wowereits saloppes „Berlin sei arm, aber sexy“ auch als Ausdruck einer neuen Stadtpolitik gelesen werden, die durch eine gezielte Inwertsetzung von Sub- und Gegenkulturen, den Mythos des kreativen Berlins zu überhöhen versuchte. Kreativität wurde dabei als gesellschaftliche Funktion und ökonomische Größe  instrumentalisiert, bei gleichzeitiger Durchsetzung eine Sparzwangs. Statt öffentlicher Daseinsvorsorge wurden unternehmerische Elemente in die Verwaltung eingeführt. Dienstleistungsmentalität und neoliberaler Zeitgeist führten zu Vernachlässigung öffentlicher Infrastrukturen. Parallel dazu erfolgte ein Verkauf landeseigener Grundstücke und Liegenschaften.* Dies führte perspektivisch zu einer Verknappung von geeigneten und verfügbaren Raumangeboten bei gleichzeitiger Flächenkonkurrenz und Verdrängung durch die sogenannte Kreativindustrie.

Bunkers Delight

 

Die Untersuchung hat zum Ziel Flächenpotenziale aufzuzeigen und Vorstellungen zu entwickeln wie diese in Gebrauch genommen werden können, um zu einer diversen, gemeinwohlorientierten Stadt beizutragen. Der Anhalter Hochbunker ist ein Relikt aus dem 2. Weltkrieg. Ab 1940 entstanden in Berlin im Rahmen des Führer Schutzprogramm ungefähr 230 Bunkern unterschiedlichster Art. Der Luftschutzbunker am Anhalter Bahnhof wurde 1942 für die Deutsche Reichsbahn errichtet.

 

Heute ist der Bunker Teil des Schulgeländes der Fanny-Hensel Grundschule, kann aber unabhängig von der Schöneberger Straße erschlossen werden. Von insgesamt 5 Geschossen werden derzeit 2 Geschosse für eine Dauerausstellung zur Geschichte Berlins genutzt. 

 

Die massive Bauweise mit 1,8m dicken Wänden und einem 3,0m dicken Dach aus Stahlbeton in Verbindung mit wenigen, kleinen Öffnungen macht eine Umnutzung nur mit größerem Aufwand möglich, auch deshalb bleiben viele Flächen im Bunker ungenutzt. Die Dachfläche mit einer Größe von etwa 1000 qm bietet aber eine Nutzungspotenzial, das auch ökonomisch darstellbar erscheint.

 

Der Bunker ist Teil einer Bebauungsplanes der den Bereich als Schulstandort als Fläche für den Gemeinbedarf ausweist. Eine Nutzung der Dachfläche des Bunkers als Standort für eine Atelierhaus mit öffentlichen Bereichen ist in diesem Kontext möglich. Auf Basis unterschiedlicher Erschließungsvarianten der Dachfläche wurden 4 Szenarien entwickelt, die auf unterschiedliche Art das Dach als lebendigen Ort und Raum für Kunstschaffende gestalten.

 

 

 

Szenario Eins. die Halle.

Über eine große Treppe an der östlichen Fassaden gehe ich hoch. Die Bunkerwand spürbar. Angekommen. Eine große Halle mit einem Café. Viele Menschen wuseln umher. Ich setze mich, trinke meinen Lieblingstee. Schaue hoch zur Galerie. Links von mir komme ich zu meinem Atelier, rechts des Daches befinden sich größere Räume. Heute findet eine Lesung in der Halle statt. Ich gehe in mein Atelier und fange an zu malen. Die Sonne scheint durch mein großes Fenster.

 

 

 

Szenario Zwei. der Hof.

Fahrrad abschließen. Hochgehen. Durch einen Durchgang gehe ich in den geschützten Innenhof. Manche machen gerade Mittagspause im Schatten. Ich setze mich lieber auf den Dachgarten mit Blick in den Hof und über Berlin. Über eine Treppe gehe ich zu meinem Arbeitsplatz. Der Raum wird gerade von zwei weiteren Kolleg:innen mit genutzt. Der interdisziplinäre Austausch macht viel Spaß.

 

 

 

 

Szenario Drei. der Garten.

Heute bin ich spät dran. Ich gehe direkt in mein Atelier und fange an zu arbeiten. Heute ist es ruhig im Bunker. Für eine Kaffeepause gehe ich auf die Verteilerebene. Danach arbeite ich weiter. Heute Abend gibt es ein Picknick mit allen im Garten. Das möchte ich nicht verpassen. Zwischen den Bäumen hängen schon Girlanden und die Blumen fangen an zu blühen.

 

 

 

 

 

Szenario Vier. der Korridor.

Es regnet. Ich komme mit der Bahn zum Bunker. Aus der Ferne sehe ich einen Menschen den Rasen auf der Atelierebene sähen. Zur Abwechslung mal den Aufzug. Endlich da. Heute habe ich einen zusätzlichen Raum angemietet. Ich veranstalte ein Seminar nächste Woche. Ich drucke dafür Plakate und hänge sie in unseren Flur. Die Ersten tragen sich ein.

 

 

 

 

 

 

 

* Florentine Schüschke: Ausverkauft, Die Privatisierung von landeseigenem Grundbesitz in Berlin