Mille Plateaux

 

Produktion Ballon: Julia Lipinsky

 

Metallbau und Raketenofen: Lisa Tatz

 

Bau Plattformen: Jan Schlake mit Axel Fourguette, Aline Harzenmoser, Kipras Kazlauskas, Stefan Klopfer, Marika Kuscher, Lukas Rosie, Magdalena Schaub und Krzysztof Szerafin

 

Produktion Teppich und Möbel in Zusammenarbeit mit den Teilnehmer*innen und Besucher*innen des Forum 1

 

Statik: Florian Förster mit Carlotta Florack, Büro Happold

 

StadtLand Forum

IBA Thüringen in Kooperation mit der Wüstenrot Stiftung

Konzept und Kuration:
Katja Fischer, IBA Thüringen Manuel Slupina und Dr. René Hartmann, Wüstenrot Stiftung

Konzeptionelle und organisatorische Mitwirkung:
Nelli Fritzler und Anna Holzinger, Rurbane Realitäten

Durchführung Architektonische Performance und Verköstigung:
Kira Becker, Beatriz Oria Lombardia und Tillmann Gebauer, Kollektiv Belwerk

Photos © IBA Thüringen/Wüstenrot Stiftung, Fotograf: Thomas Müller

 

Zum Abschluss der IBA Thüringen findet im Sommer 2023 das StadtLand Forum am Eiermannbau Apolda statt. Bei fünf mehrtägige Foren werden das Wissen, die Ideen und praktischen Erfahrungen aus dem elfjährigen IBA Prozess geteilt, diskutiert, weiterentwickelt und Positionen zur Zukunft der ländlichen Räume und zur StadtLand These ausgehandelt.

 

Für dieses Format entwickelt raumlabor ein performatives, räumliches Setting, mit dem die Freifläche neben dem Eiermannbau – und je nach Witterung auch der Eiermannbau selbst – situativ bespielt werden kann und einen starken atmosphärischen Rahmen schafft.

 

Vor dem Hintergrund des menschgemachten Klimawandels und der damit einhergehenden anstehenden Bauwende haben wir uns vorgenommen für das Projekt – im Sinne des Modells der Kreislaufwirtschaft – soweit wie möglich mit vorhandenen lokalen Ressourcen zu arbeiten und damit einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Gleichzeitig entstand dadurch eine Erzählung auf der Materialebene, die sich stark mit den lokalen Geschichten verknüpft und identitätsstiftend wirkt.

Foto: Thomas Müller

 

 

 

Plattformen

 

2005 wurde die Dachterrasse des Eiermannbaus saniert. Die dafür eigens von einer lokalen Firma hergestellten Betonplatten mussten bereits 2021 wieder ausgebaut werden, da durch ihr hohes Gewicht die darunterliegende Dachabdichtung und Dämmung kaputt ging. Seither lagerten die Betonplatten auf der Freifläche neben dem Eiermannbau.

Mit eben diesen Betonplatten haben wir als erste bauliche Ankerpunkte vier Plattformen in die –nach Plänen von Treibhaus Landschaftsarchitekten behutsam und mit minimalsten Mitteln entwickelte – Freifläche eingefügt.

 

Die Firma Doka betreibt in Apolda ein großes Distributionszentrum für Schalungssysteme. Ein Großteil des Materials bleibt im Eigentum der Firma und wird nur für einzelne Bauanträge verliehen. Wenn die Schalungsmaterialien nach einem Einsatz zurückkommen, werden sie gereinigt und auf Beschädigungen überprüft.

Mit dabei aussortierten Schalungsträgern bauten wir die Unterkonstruktion der Plattformen. Durch geschicktes Einbauen an statisch unkritischen Stellen, war der Einsatz der Träger für unsere Zwecke jedoch unproblematisch.

 

 

Bänke, Tische, Hocker, Tischtennisplatte

 

Auch aus Schaltafeln der Firma Doka sind Bänke, Tische, Hocker und eine Tischtennisplatte gebaut, die als Aktivierungstools von Plattform zu Plattform wandern.

 

 

 

 

 Foto: Thomas Müller

 

Teppich

 

TEXAID betreibt am Standort Apolda eine der größten Altkleider-Sortieranlagen Deutschlands. Täglich werden dort in einem dreistufigen Prozess ca. 350.000 Kleidungsstücke von Hand in rund 300 Kategorien sortiert. Aus der Kategorie Jeans hat uns TEXAID 400kg Hosen zur Verfügung gestellt, aus welchen wir mit der Teilnahme von Besucher*innen der Foren einen kreisrunden Teppich geknüpft haben.

Das meditatives Teppichknüpfen, und dabei einem dialogisch geführten Vortrag zu lauschen, hat sich als super Format herausgestellt.

 

 

Ballon

 

Der Heißluftballon Hersteller Kubiček aus Tschechien hat eine eigene Stoffproduktion und ist damit der einzige, der Heißluftballons aus Polyester herstellt. Diese sind sehr viel langlebiger als die Alternativen aus Nylon. Selbst kleinste Unregelmäßigkeiten im Gewebe veranlassen ihn zum Aussortieren des Stoffes, da es um die Sicherheit von Menschenleben geht. Normalerweise wird diese aussortierte B-Ware entsorgt, auf unsere Anfrage hin verkaufte er uns den Stoff ausnahmsweise zu einem günstigen Preis.

 

 

Als weithin sichtbares Zeichen fertigten wir aus diesem Stoff einen großen Ballon der ein Vorhang tragen kann und so einen schattigen, stimmungsvollen Raum für die StadtLand Foren schafft.

 

 Foto: Thomas Müller

 Foto: Thomas Müller

 Foto: Thomas Müller

 

Ofen

 

Seit den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden im Eiermannbau Feuerlöscher produziert. Aus dieser Tradition entwickelte sich die Eurocylinder Systems AG, die auf dem benachbarten Grundstück weiterhin Hochdruckstahlflaschen für diverse technische Anwendungsbereiche produziert. Aus zwei Feuerlöschern, Gasflaschen und einem Warmwasserspeicher vom Altmetall, fertigten wir in Zusammenarbeit mit Lisa Tatz einen Raketenofen auf dem wir Kaffee kochen oder auch Fladenbrote oder Kartoffeln backen konnten. Der Clou des Ofens war aber, dass über den Luftwärmetauscher heiße Luft in den Ballon geleitet werden konnten, um ihn so zum Abheben zu bringen. Das hat im Sommer 2023 leider nie geklappt.

 

 

Brennholz

 

Um den Ofen zu befeuern haben wir im Winter in einer 2-tägigen Aktion 5 Ster Brennholz vorbereitet. Dazu haben wir die mit dichtem Baumwuchs verwilderten Flächen auf der Freifläche von Totholz befreit und leicht ausgedünnt. Dies ist eine übliche Maßnahme, um den verbleibenden Bäumen Platz zum Wachsen zu verschaffen und die ab einem gewissen Punkt auch zu mehr Biodiversität führt.

 

Ein ideeller Nebenwert fürs Projekt ist aber auch, dass der so lokal gewonnene Brennstoff für den Ofen als CO2 neutral gewertet werden kann, denn ob das Holz verrottet oder verbrannt wird, das im Holz gebundene CO2 wird so oder so wieder frei.

 

 

Epilog

 

Die hier beschriebene Projekterzählung setzt den Fokus bis zu diesem Punkt auf die technischen und praktischen Aspekte der Umsetzung des Projekts. Der thematische Diskurs hin zu einer Nachhaltigen Zukunftsvision dreht sich jedoch auch intensiv um das Verhältnis von Mensch und Natur, beziehungsweise eben gerade der Überwindung von der in unserer westlichen Kultur historisch gewachsenen Einstellung der Hoheit der Menschen gegenüber der Natur. Diese erforderliche Neueinstellung stammt von der Überzeugung, dass wir als Gesellschaft nur zu nachhaltigeren Formen des Lebens finden können, wenn wir uns als Teil der Natur verstehen, ihr zuhören und mit ihr kooperieren. Vor diesem Hintergrund mochten wir den Aspekt, dass wir die Besucher*innen der Foren mitten auf der zu großen Teilen verwilderte Freifläche versammelten, der Ballon und der leichte Vorhang im Wind in Bewegung kamen, oder eben auch alles schnell, schnell abgebaut werden musste, falls Windböen aufkamen.

 

Foto: Thomas Müller

Foto: Thomas Müller

 Foto: Thomas Müller

 Foto: Thomas Müller

Foto: Thomas Müller

Foto: Thomas Müller

Foto: Thomas Müller