und
Julia Lipinsky
Olof Duus
Luca Timm
Zhenru Liang
Fotos: Dirk Rose – Kunstmuseen Krefeld
„Visionäre Räume, Friedrich Kiesler trifft Walter Pichler“ ist eine Ausstellung des Belvedere, Wien, in Zusammenarbeit mit den Kunstmuseen Krefeld, wird in Wien von Verena Gamper sowie in Krefeld von Michael Krajewski, kuratiert.
Zur Ausstellung erscheint ein Hauptkatalog und ein Supplement mit Ansichten der Ausstellung in Krefeld und ein Gespräch mit katja Baudin, Michael Krajewski und Francesco Apuzzo
Hrsg.: Stella Rollig, Katia Baudin, Verena Gamper
Texte: Katia Baudin, Juliette Desorgues, Verena Gamper, Almut Grunewald, Michael Krajewski, Harald Krejci, Bart Lootsma, Stella Rollig
Erschienen im Verlag der Buchhandlung Walter und Franz König, Köln
Der Katalog ist in deutscher und englischer Sprache erschienen. Museumsausgabe 29,80 Euro 2024
ISBN: 978-3-7533-0664-3
Eine Installation von raumlaborberlin für die Ausstellung
„Visionäre Räume. Friedrich Kiesler trifft Walter Pichler“
im Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld. 21.11.2024 – 31.3.2025
Die Ausstellung präsentiert zwei bedeutende Avantgardisten unterschiedlicher Generationen, Friedrich Kiesler (1890-1965) und Walter Pichler (1936-2012) und lädt dazu ein deren utopischen Ansätze, in einem imaginären Gespräch, neu zu entdecken.
Sechs thematische Ausstellungskapitel beleuchten das Werk der beiden Künstler unter sowohl inhaltlichen als auch formalen Aspekten: Archiplastisch, Organisch, Performativ, Sensorisch, Spirituell und Funktional.
Unsere Installation „Paradigma und Halluzinationen“ begleitet die Besucher und führt sie durch die Ausstellung wie eine Erzählung in Episoden.
Das Paradigma besteht in der radikalen Entscheidung, ausschließlich bestimmtes Material für den Bau der Installation zu verwenden. Objekte und Systeme aus dem Bestand des Museums, die üblicherweise zur Präsentation von Exponaten eingesetzt werden, finden hier eine zweckentfremdete, deplatzierte Verwendung: unverkleiht, in ihren Bestandteilen separiert und neu kombiniert.
Das Material tritt somit anders in Erscheinung als in seiner gewohnten Nutzung und geht über den rein funktionalen Einsatz hinaus. Der Bestand an Baumaterialien wird durch Textilien und deren Träger ergänzt, die aus fehlerhafter Produktion und Überproduktion stammen oder als Leihgaben zur Verfügung gestellt werden – bereitgestellt von lokalen Unternehmen.
Durch Verhüllung, Verstellung und Einrahmung werden die Werke von Friedrich Kiesler und Walter Pichler präsentiert. Dabei werden die verwendeten Materialien mit den Räumen des Museums sowie mit einem unsichtbaren Korpus aus technischen und administrativen Parametern verwoben.
Wie bei Fehlern oder Überlagerungen in einem Gewebe-Muster entstehen Halluzinationen. Im Konzeptions- und Bauprozess ist die Gratwanderung zwischen dem Zulassen und dem Kontrollieren dieser Halluzinationen stets ein zentrales Thema und bildet den Kern unserer Arbeit.
Die Episoden der Erzählung sind Adapter, die sowohl die strenge Raumordnung des Museums aufweichen als auch dessen Eigenheiten thematisieren. Wie Schleusen zwischen unterschiedlichen Wasserkörpern nehmen sie manchmal am Dialog zwischen den Werken der beiden visionären Künstler-Architekten teil, manchmal versuchen sie zu vermitteln.
Die Flagge ist eine über zwei Räume gespannte Klammer, die den räumlichen Übergang zwischen den beiden ersten Ausstellungssälen markiert. Sie begleitet den sich ändernden Fokus der Arbeiten von Friedrich Kiesler und Walter Pichler über ihre jeweiligen Schaffensperioden hinweg. Mit einem Farbverlauf-Muster zeigt die Flagge sowohl ihre Vorderseite als auch ihre Rück- oder Arbeitsseite.
Formen der Akkumulation (verschleiert)
Dies ist der tektonische Beitrag von raumlaborberlin zu diesem Kapitel der Ausstellung. Mehr als das bloße Zusammentragen neu hergestellten Materials fasziniert uns seit langem die Möglichkeit, bestehende Ressourcen auf neue Weise zu erschließen und dabei ihre Eigenheiten, Potenziale und Spuren zu respektieren. So entstehen neue Narrative, die auf den Spuren des Vorhandenen aufbauen. In diesem Fall wurden alle vorhandenen Präsentationssockel aus dem Museumsbestand kontrolliert gestapelt und mit „Lagerhölzern“ ergänzt. Die unregelmäßige, stufige Oberfläche der gebauten Volumen lässt in der Textilverhüllung unkontrollierbare Falten entstehen.
Die Passage (mit Bewegungsmeldung)
Diese Installation verschmilzt die Architektur des Museums mit Kieslers „Endless House“. Sie versucht, mit der visionären Kraft seines Raumes in einem kurzen Moment des Übergangs, die Wahrnehmung unserer gewohnten, statischen architektonischen Umgebung zu überformen.
Kristallenthüllung
Eine Kristallformation aus Plexiglashauben des Museumsbestandes wird in den Räumen der Kapitel „Organisch“ und „Sensorisch“ enthüllt. Als eindeutig anorganische Erscheinung bildet der Kristall einen Gegenpol zu den Werken, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen und durch weiche Formen geprägt sind. Gleichzeitig wird durch die Materialität des Kristalls, seine Transparenz und die entstehenden Reflexionen eine Verbindung zu anderen Werken dieser Sektion hergestellt.
Überdimensionierte Schnittmuster hängen auf Holzgestellen im Thorn-Prikker-Saal des Museums. Sie bilden ein imaginäres Archiv und fungieren als Filter zwischen den wandfüllenden Fresken Prikkers und den Werken von Walter Pichler.
Der Wandbilderzyklus „Die Lebensalter“ von Johann Thorn Prikker ist durch stark konturierte, nackte menschliche Figuren verschiedenen Alters geprägt. Die im Saal ausgestellten Werke von Walter Pichler, „Telefonkapelle“ und „Alte Figur“, basieren zwar auf dem menschlichen Körper und dem Raum, der für dessen rituelle Handlungen beansprucht wird, leben jedoch von der Abwesenheit einer figürlichen Darstellung. Die Präsenz der Betrachtenden selbst schafft den Zusammenhang zwischen menschlichem Körper, Maßstab und den Werken.
Die Schnittmuster stellen in dieser Situation eine Vorstufe zum Kleid dar.
So wie Pläne oder Modelle in der Architektur Hilfsmittel zur Herstellung von Wänden und Räumen sind, dienen die Schnittmuster den Schneider*innen zur Herstellung von Kleidern und deren Anpassung an die Körpergröße der Menschen.
Die Wände aus archivierten Schnittmustern wirken temporär als Hintergrund für die Werke von Walter Pichler und ermöglichen immer wieder den Blick auf die Fresken Prikkers, die normalerweise den Raum dominieren.
Zwischenlagerung
Aus Resten von Teppichen einer vergangenen Ausstellung und ausgeliehenen Pappkernen (Teppichträger für Lagerung und Transport) werden in diesen Räumen zwei Objekte realisiert. Diese adressieren sowohl Themen wie Wohnlichkeit, Bequemlichkeit und Körperhaltung als auch die produktionsspezifischen und logistischen Aspekte des Materials, um deren Bedeutung sichtbar zu machen.
Parallel zum Projekt für Visionäre Räume, konzipiert raumlaborberlin mit der Bildung- und Vermittlungsabteilung des Museum, eine UtopieWerkstatt.
Mit einer eigens entwickelte Vorrichtung, können Museumsbesucher*innen sich in Studio2 beteiligen und Kleiderbügel aus Draht zu Adapter, als Ringe oder beliebige Formen, biegen. Aus den Adapter und einfachen und teils gebrauchten Materialien werden röhrenartige Module geschaffen, die sich direkt auf den menschlichen Körper und dessen Proportionen beziehen.
Stoffreste aus der Installation werden an den Adapter fixiert um daraus Module herzustellen. Durch aneinanderreihen dieser Modulen breitet sich die Installation, über das Studio 2 hinaus, im Treppenhaus des Museums aus. Alle Beteiligten fügen dem Gemeinschaftswerk, durch die Wahl der Stoffe, der Farbe und Modulgrößen, einen eigenen, persönlichen, Segment hinzu.
Die Werke der Künstler/Architekten Friedrich Kiesler und Walter Pichler dienen uns hier als Inspiration für die Realisierung von modellhaften Räume und Raumfolgen, die sich unendlich fortsetzen und verzweigen können.