Die Arbeit “future one”, die raumlaborberlin für die Regionale in Murau in der Steiermark entwickelt hat, besteht aus dem Wort “ZUKUNFT”, das als Schriftzug auf dem abgeholzten Hang am Lärchberg oberhalb der Stadt Murau installiert wird.


Eine Zukunft für Murau. Bei meinem Besuch in Murau war ich auf der Suche nach Postkartenmotiven. Eine so idyllisch gelegene kleine Stadt hat, was andere Orte nicht haben: die großen Ansichten, die die Stadt in Verbindung mit der Landschaft zeigen. Auf dieser Suche habe ich alle umliegenden Hügel und Berge erfahren und erwandert. Der Blick war oft genug verstellt, von dem Gut das Murau fast komplett umgibt: dem Wald. Einige Punkte konnte ich doch entdecken. Von St Lambrecht kommend gibt es einen schönen Stop an der Landstraße. Auch unten im Tal, auf der dem Stadtzentrum gegenüberliegenden Ufer der Mur und neben dem Trachtengeschäft befindet sich so ein Punkt. Von dort aus fallen die markanten Punkte der kleinen Stadt in den gleichen Bildrahmen: alte Häuser in historischer Anlage, darüber die Kirche, noch etwas höher das Schloss.

Doch die Postkartenansicht erschließt sich dem Touristen nicht selbstverständlich als eigenes Erlebnis. Es ist eine Art Übereinkunft zwischen Postkartenversendern und Postkartenproduzenten, dass auf diesem kleinen Stück Papier eine gewisse Perfektion im Bild erreicht werden muss. Wie sonst soll der aus der ferne vorausgeschickte Gruß den Nachweis dafür antreten, dass das Ziel der Reise weise gewählt und die erhoffte Schönheit und Erholung auch tatsächlich vorgefunden wurde? Postkarten sind damit Werkzeuge einer konstruierten Reiseidentität. Dabei reproduzieren sie wie selbstverständlich ein idealisiertes Abbild ihres Gegenstands. Störungen werden ausgeblendet oder wegretuschiert, Farben verbessert, der Blick konstruiert. In der Regel wird mit dem Postkartenmotiv ein Blick in die Siedlungsgeschichte geworfen. Zeitgenössisches schafft es selten auf die Vorderseite, häufiger historische Bauten und Monumente. Was ist das für eine Reise, die wir mit solchen Postkarten dokumentieren? War ich zu Besuch im 19 Jahrhundert? Habe ich eine bessere Vergangenheit erlebt, die es mir erlaubt lästige Komplexität des heutigen Lebens abzuschütteln? Viele Motive wollen genau das glauben machen.

Ich selbst habe es bei einem Urlaub in den Bergen manchmal so gemacht: ich kaufe eine Postkartenansicht des schönen, kleinen und verscheiden Dorfs, das sich so geschmeidig den Hang heraufzieht. Auf der Rückseite schreibe ich ein paar freundliche Sachen, dann kommt die Adresse und dann drehe ich die Karte um und mache mit dem Kuli ein Kreuz bei unserem Haus. Jedes Mal bekomme ich Gänsehaut wenn der Kuli sich in die glanzkaschierte Vorderseite gräbt um seine farbigen Linien zu hinterlassen. Das Kreuz, das dabei herauskommt ist immer frustrierend unperfekt. Die Linien sind unvollständig und krumm, die schöne Ganzheit der Karte beschädigt. Sie will mich nicht drin haben. Sie will die Gegenwart nicht zulassen.

 

 

Die Arbeit “future one”, die raumlaborberlin für die Regionale in Murau in der Steiermark entwickelt hat, besteht aus dem Wort “ZUKUNFT”, das als Schriftzug auf dem abgeholzten Hang am Lärchberg oberhalb der Stadt Murau installiert wird. Die Platzierung des Wortes thematisiert die wesentliche Verbindung des Städtchens mit seiner umgebenden Landschaft, ein Bezug der für die Stadt zentral ist, aber im erleben der Stadträume nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint.

Die Schrift ist dabei so platziert, dass sie zwei simultane Präsenten Muraus miteinander verbindet. Die Verbindung wird über einen gemeinsame Blickpunkt in der Landschaft hergestellt. Die beiden Präsenten sind: Die Murauer Kern- oder Altstadt, die sich großteils immer noch innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer konzentriert.

Die zweite Präsenz ist die Stadt entlang der Bundesstraße. Diese stets als Rückseite oder Funktionszone gelesene Seite der Stadt ist andererseits genau das, was der durchreisende Autotourist von der Stadt zu sehen bekommt. Die Schrift “ZUKUNFT” wird sowohl Teil der Postkartenansicht der historischen Stadt als auch zum Wegzeichen für die Autofahrer. Außerdem wird sie vom Parkplatz des Supermarktes sichtbar sein, wo sich Jugendliche mit starken Autos treffen.

So adressiert die “ZUKUNFT” die wesentliche Frage Muraus heute: wie weitermachen? Die Stadt, die sich einerseits so idyllisch und selbstbewusst präsentiert, die stark in Holz und Bierproduktion ist, kann seine Jugend kaum am Ort halten. Sind es die Jobaussichten? Sind es die sich ändernden Vorstellungen von Lebensstilen die hier zum Bruch führen?

Die Arbeit „future one“ setzt ein selbstbewusstes Zeichen. Sie schreibt sich in das Postkartengedächtnis ein, der Vordergrund der Postkarte bleibt dabei aber offen und selbst zu wählen. Endlich kann ich, egal ob ich Murauer oder Tourist oder Durchreisender bin, meine Gänsehaut beim Postkarten bekrakeln sein lassen und meine Postkarte aus dem heute selbst gestalten. (text: Markus Bader, Juni 2012)

 


die Kirche, das Schloss und die Zukunft

in der nacht

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