The Promising Land

In the course of urbanism09.
Im Rahmen von urbanism09.

 

Thanks to Raj and the biennial office.

 

 

Raumlabor approached this project with the questions: is reinventing the history of a place a good idea, when the current accepted history isn’t helping the present situation? Finding, as in our case, no suitable point of departure/entry for a solution to apparent urbanistic problems, is it possible through the interweaving of truth, urban legend and invention to inspire regional pride in the inhabitants of a desolated residential area? And when this (hi)story is presented in a positive light, could it get the ball rolling? Is it possible by reinventing a history to create a new perspective for a site which has undergone a century of urban catastrophes?

 

Bootle is one of many residential working-class neighborhoods in Liverpool. Here lived the workers of the Docklands, which stretched over 10 kilometers of the River Mersey’s estuary. After the downfall of the British Empire, the Docks became a gigantic wasteland. Since World War II more than 40 percent of the population left the city; in neighborhoods such Bootle even up to 70 percent. Under the guise of „regeneration“ huge residential areas are being demolished in order to make room for new settlements.

We chose to focus on the Liverpool-Leeds canal, an historic waterway which crosses the city from north to south. After almost 40 years of neglect it has developed into an inner-city wasteland overgrown with lush wildlife.

Therefore, we invented a legend and to explain it to the public, we transformed an empty school on the banks of the canal into a museum, including a conference room. Across the canal on an old coal stock ground, we built an unusual object to give the new story its own landmark.


Jantar Mantar

 

Bei diesem Projekt geht das raumlaborberlin der Frage nach, ob es eine gute Idee ist, die Geschichte eines Ortes neu zu erfinden, wenn die bekannte einem in der Gegenwart nicht weiter hilft. Also, in unserem Fall, bietet sich kein signifikanter Ansatz für die Lösung offensichtlicher, urbanistischer Probleme an. Ob man mit geschickter Verflechtung von Wahrheit und Erfindung zu urbanen Legenden den Bewohnern eines desolaten Wohngebietes zu neuem Regionalstolz verhelfen kann? Und wenn man diese Geschichte gut präsentiert, kommt dann vielleicht sogar ein Schneeball ins Rollen? Kann so für einen Ort, der durch ein Jahrhundert urbaner Katastrophen gegangen ist, mit einer etwas anderen Vergangenheit, eine neue Perspektive entstehen?

Bootle ist eines der working-class Wohngebiete Liverpools. Hier wohnten die Arbeiter der Docklands, die sich über 10 Kilometer entlang der Mündung des River Mersey erstreckten. Nach dem Niedergang des Empires verwaisten die Docks zu einer gigantischen Brachfläche. Seit dem 2. Weltkrieg verließen mehr als 40% der Bevölkerung die Stadt, aus Vierteln wie Bootle bis zu 70%. Kein Wunder, bei einer Arbeitslosigkeit bis zu 90%. Mit der Blütezeit des thatcherianischen Neoliberalismus wurde begonnen diesen Gebieten den Todesstoß zu versetzen. Die letzten verbliebenen Bewohner werden seither enteignet und unter dem Deckmantel der „Regeneration“ werden riesige Wohngebiete abgerissen, um Platz zu schaffen für neue Siedlungen.

Als Fokus diente ein historischer Wasserweg, der die Stadt von Süden nach Norden durchquert: der Liverpool-Leeds Kanal. Einst Verbindung nach Manchester und Leeds, Wirtschaftsader der Textilindustrie und Zulieferschneise für Kohle und andere Rohstoffe. Nun liegt er seit fast 40 Jahren brach und hat ein üppiges innerstädtisches Wildlife entwickelt.

Wie kann man Potentiale eines Ortes attraktiv machen, die seit mehr als 200 Jahren nicht genutzt werden? Und wofür eigentlich den Ort attraktiver machen? Damit die Regenerations-Mafia davon profitiert? Nicht nur. Einige Urbewohner gibt es ja noch. Versteckt zwischen den vernagelten Häusern. Man trifft sie im Supermarkt. Und Kinder gibt es auch, die spielen auf den zahllosen Brachen. Auch die neuen Bewohner haben in ihren schlecht gedämmten Häusern ein gutes, gesundes Umfeld verdient. Man erhofft sich mit der Eroberung des neuen Freiraums auch ein neues Lebensgefühl für Bootle.

Also erfanden wir eine Legende. Um sie der Öffentlichkeit zu erzählen, transformierten wir eine leer stehende Schule am Kanal in ein Museum mit Konferenzsaal. Und damit die neue Geschichte auch ihr Landmark bekommt, bauten wir jenseits auf einem alten Kohlenlagerplatz ein ungewöhnliches Objekt.


Skizze des Parks von Amelia Watts

Die Legende beginnt im 18.Jahrhundert und handelt von einem Landschaftspark, der hier geplant war, aber nie realisiert wurde. Ein Park der, wie viele englische Gärten, eine Reise repräsentierte. Die Reise der Amelia Watts, Tochter eines Direktors der East India Company. Wir schreiben das Jahr 1768, Amelia ist 19 Jahre alt und fährt von Indien, wo sie aufgewachsen ist, nach England, um hier den Earl of Liverpool zu heiraten. Während der langen Schiffspassage zeichnet sie. Dabei entsteht die Skizze einer Parkanlage, in deren Zentrum ein großer See liegt. Auf der einen Seite des Sees liegt Indien, mit seinen Sehenswürdigkeiten, dem Qutub Minor von Delhi, dem Taj Mahal, der Christ Church in Shimla und inmitten eines Rosengartens steht das Jantar Mantar von Jaipur, ein außergewöhnliches Objekt zur Beobachtung der Himmelskörper. Auf der anderen Seite des Sees war England. Zur Hochzeit lässt der Earl von dem berühmten Maler Reynolds ein Gemälde von Amelia anfertigen. Sie schenkt Ihm die Skizze. Als Amelia schwanger wird, erwirbt der Earl ein Grundstück in der Nähe von Liverpool, auf dem er das gemeinsame Heim und diesen Park für sie errichten lassen will. Doch sie stirbt bei der Geburt ihres Sohnes Robert. Der Earl stürzt in tiefe Depressionen und die Pläne scheitern. Nach seinem Ableben findet Robert, jetzt nicht nur selbst der Lord of Liverpool, sondern englischer Premierminister, die Besitzurkunde für das Grundstück und die Skizze seiner Mutter. Tief bewegt von dem Fund wendet sich der Staatsmann an seine einzige Vertraute: Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel, Princess of Wales und abgeschobene Gemahlin des Thronfolgers Georg IV. Sie rät ihm den Park im Andenken an seine Mutter errichten zu lassen und den Architekten William Nash mit der Planung zu beauftragen. Nash war des Prinzen Hofarchitekt und hatte bereits Teile des Regent Park und des Regent Kanal geplant und bei dem Bau des Royal Palace in Brighton bewiesen, dass er mit indischen Architekturelementen meisterhaft umgehen kann. Nash fertigt einen Plan der Amelias Skizze auf das Grundstück in Bootle anpasst. Nach ersten Baumaßnahmen, der Umfassungsmauer und einem Wachhäuschen, lassen außenpolitische Schwierigkeiten – Napoleon muss bei Waterloo besiegt werden – das Projekt stocken. Der Prozess den George IV gegen Caroline wegen Ehebruchs anstrengt, in dem Lord Liverpool gegen Caroline ermitteln muss, lässt den Bau des Parks dann ganz scheitern.


Amelia Watts

 

In der zum Abriss bestimmten St. Winefride´s School und auf der gegenüber gelegenen Carolina Wharf am Liverpool Leeds Kanal, sammelten wir Abbildungen der authentischen Charaktere, fälschten Stempel von Bibliotheken und Archiven, kopierten Unterschriften und erfanden eine Geschichte, wie wir auf die Dokumente gestoßen sind. Wir fertigten ein Modell des Parks mit allen architektonischen Elementen und zeigten Fotos der Originale.

Als Eingang bauten wir das Labyrinth nach, das Nash für die englische Seite der Parkanlage geplant hatte. Von hier ging eine Blickachse durch die gesamte Ausstellung auf das Jantar Mantar, das obskure, indische Observatorium, das wir unter großen Mühen auf Carolina Warf errichteten. Die Architektur wurde von uns mit einer Kamera Obscura ergänzt, auf deren Projektion man einen Schriftzug auf dem Dach der Schule sah: DNE EHT – THE END

Wie kam es zu dem was wirklich da war: zwei Pubs, zwei Schulen, eine Metro, ein Kohlenplatz? Wir erfanden also die Parallelgeschichte angelegt an die Geschichte von Everton und FC Liverpool: ein Fußballclub, der durch den Bau des Kanals geteilt wurde, in zwei rivalisierende Fußballvereine. Die beiden Pubs waren einst ihre Vereinsheime. Der Bau der Metro teilte ihre Bolzplätze und zwang sie umzuziehen. Ein spanischer Kohlenhändler kaufte eines der Grundstücke und als er von der geplanten Parkanlage hörte, nannte er seine Firma Carolina Coal Company.

Der Park ist eine Vision von uns und durchaus ernst gemeint für diesen Ort. Er würde die beiden Seiten von Bootle neu verbinden und ein neues Identifikationssymbol für den Stadtteil schaffen. Noch dazu würde er die Lebensqualität verbessern und dem Kanal einen neuen Freizeitwert verleihen. Für uns war es aber besonders wichtig, bei diesem Projekt die Geschichte des Ortes neu zu schreiben. Denn neben stadtpolitischen, -planerischen, sozialen, repräsentativen und sonstigen Motiven, wird manipulierte  Geschichte oft nur zur Durchsetzung unpopulärer oder autistischer Planungsideen herangezogen. Dabei würde das neu Erfinden von Geschichte, als Beitrag zur Aufwertung einer desolaten Situation wie hier, ganz neue Arbeitsfelder für Architekten, Schriftsteller und Dramaturgen eröffnen.


Labyrinth


Modell des Parks


Film zur Geschichte


St. Winefried Chapel und Kongresssaal


Holy Winefried Quelle und Kräutergarten


Jantar Mantar

The End