Für die in den späten 70er Jahren erbaute Stadthalle am Karlsruhe Festplatz haben wir ein Gestaltungskonzept entwickelt, dass auf irrationale Elemente des Bestandes reagiert und mit einer stark geometrisierten Raumgestaltung einen spannungsreichen Dialog zwischen Alt und Neu schafft.

Die Stadthalle am Karlsruhe Festplatz wurde vor rund fünfundzwanzig Jahren neu gebaut. Von einem Vorgängerbau aus der Jahrhundertwende blieb nur die imposante Kolonnade (Säulenvorhalle). Betritt man das Gebäude vom Festplatz, öffnet sich eine groß angelegte Foyerwelt auf mehreren Etagen.
Die Architektur der späten siebziger Jahre setzt auf die Stilmittel der Zeit: die Foyerbereiche werden von einer starken Rasterung beherrscht, die sich vom statischen Grundraster über die Ausbauraster in der Decke und die Aufteilungen in den Wand- und Bodengestaltungen fortsetzt. Die Veranstaltungsräume sind vertikal übereinander in einem kompakten Volumen organisiert, das als Haus-im-Haus im Gebäude steht – ein Prinzip, das als Vorbote der sich ankündigenden Postmoderne gelesen werden kann.

Zwischen den Foyers des Obergeschosses und dem zentralen Saal-Bau befindet sich ein von oben natürlich belichteter Luftraum – eine Gebäudeorganisation, die den Effekt der Introvertiertheit noch weiter auf die Spitze treibt. Dennoch hat die scheinbar perfekte Symmetrie des Gebäudes Fehler. Der den zentralen Bau umschliessende Rand von Flächen ist zwar auf allen Seiten ähnlich tief, seine Programmierung ist aber uneinheitlich. Er enthält Räume, die öffentlich zugänglich sind, jedoch auch unzugängliche Servicebereiche. Der Schwerpunkt der öffentlichen Bereiche ist dem Festplatz zugeordnet, so daß gebäudeintern ein Übergang von offen und zugänglich zu aufgegliedert und weniger bis nicht zugänglich von Süd nach Nord stattfindet. Generell wirkt die Gebäudegeometrie heute starr und eher schematisch als interessant und einladend. Hier stellen sich mit der Zukunftsperspektive im Blick auch aus dem Innraum heraus grundsätzliche Fragen nach Sinnfälligkeit und Offenheit gegenüber Künftigem.

Die Formensprache der vorhandenen Architektur hat neben dem dominierenden Raster immer wieder irrationale, deutlich gestaltete Elemente. Vor allem die Garderobentresen und die mit ihnen verbundenen  kuriosen Standleuchten zeigen einen gestalterischen Willen. Auf Originalaufnahmen ist zu erkennen, dass auch die Stühle und Tische mal Teil des Formenkanons der Stadthalle waren. Diese markanten Elemente wurden und werden zurückgebaut, Möblierung ersetzt. Dabei steht bisher Pragmatik und Nüchternheit im Vordergrund.

Wir halten diesen Weg für falsch. Eine neutrale Gestaltung gibt es nicht. Um einem Raum Athmosphäre zu geben, muss man die Neutralität verlassen und ins Risiko gehen. Ein Risiko der gestalterischen Entscheidung, der Erkennbarkeit und ein Risiko dann nicht mehr alle Möglichkeiten offen zu haben. Räumliche Qualität entsteht durch Differenzierung, durch Zonierung und Erkennbarkeit.

In unserem Entwurf beziehen wir uns auf die irrationalen Elemente des Bestands, auf die Dreiecksform, die spitzen Ecken der Garderobentresen und nehmen sie zum Anlass einer stark geometrisierten Raumgestaltung. Die Kontinuität im Rahmen der Geometrie sorgt für die Verbindung und den Dialog von alt und neu. Sich in den Raum der Geometrie zu bewegen gibt gleichzeitig die Chance einer großartigen Erweiterung des Sprachrepertoires der Räume, es erlaubt Spannungen aufzubauen und doch immer die Verhältnismäßigkeit im Blick zu behalten, es erlaubt strategisch zu intervenieren ohne den kompletten Bestand revidieren zu müssen.

Weinbrenner, Gilly, Schinkel

Friedrich Weinbrenner (1766-1826), David Gilly (1748-1808), Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) sind Zeitgenossen im Geiste des Klassizismus. Sie sind Namensgeber für die drei Gruppen von Objekten, die wir für die Stadthalle Karlsruhe entwickelt haben.

Weinbrenner steht für eine Gruppe fest eingebauter, raumgreifender Körper in den Foyers, Gilly für mobile tresenartige Objekt und Schinkel für die kleinsten, die Sitzelemente. Die Benennung macht deutlich, daß die Objekte einem gemeinsamen Geist entspringen, aber persönliche Charaktere entwickeln. Verwandt und doch unterschiedlich. Die neuen Raumkörper bringen die Diagonale zurück in den entlehrten Raum der Stadthalle. Sie behaupten sich damit gegen die ordnende Macht des Rasters, überspringen und verknüpfen die vorgegebenen Ordnungssysteme und öffnen damit einen imaginären Raum neuer Möglichkeiten. Sie aktualisierne das ewige Spannungsverhältnis von Freiheit und Kontrolle. Sie sind dizipliniert geometrisch, kontrolliert in der Platzierung der Farbflächen und doch frei. Ihre komplexere Geometrie lehnt sich an den Bestand an und führt ein dort angelegtes Prinzip zu neuer Sichtbarkeit und Attraktivität.

 

 

Die Orte an denen interveniert wird sind sorgfältig gewählt und in umfangreichen Variantenstudien überprüft. Die Interventionen schaffen neue Kristallisationsorte in der diffusen Offenheit der Foyerbereiche. Sie schaffen Blickpunkte, Adressen und bieten die Möglichkeit sich selbst in den Raum einzuschreiben. Sie dienen als Landmarks und Aufenthaltsorte zugleich.

Die Differenzierung des Gesamtraums wird unterstützt durch flächig eingebrachte grafische Muster. Hier besteht die gleiche Verwandtschaft im Geist zur sehr geometrischen Grundhaltung des Gebäudes. Die Linien und Punktmuster verbinden Wand und Boden und werden in den Deckenbereichen als leuchtende Felder weitergeführt. Sie verbinden auch neue Einbauten und bestehende Struktur und differenzieren mit einfachen Mitteln die diffusen Bereiche der Foyers.